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#35 – Die Apotheose der Fußballgötter von Union

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Wie kam es eigentlich dazu, dass beim 1. FC Union Berlin vor jedem Spiel alle Spieler als "Fußballgott" gefeiert werden?

Wenn im Stadion an der Alten Försterei die Mannschaftsaufstellung des 1. FC Union Berlin angesagt wird, begrüßen die Unioner:innen alle Spieler als "Fußballgott". Seit wann ist das eigentlich so, und kam es auch mal vor, dass von diesem Teil der Liturgie abgewichen wurde?

Skript

Ich will heute die kurze Geschichte davon erzählen, wie sich eins der stilprägenden Elemente bei Union etabliert hat. Und zwar eins, das zu den Dingen gehört, die wir in dieser sehr anstrengenden Pandemie-Zeit gerade, in der unter anderem der Fußball als Stadionerlebnis fehlt, vermissen. Es tut mir leid, wenn darüber zu reden dann ein bisschen „Immer aufs Schlimme“-Charakter hat, aber vielleicht funktioniert die Folge ja dann auch ein bisschen als Methadon dafür.

Vorab möchte ich mich kurz übrigens noch dafür entschuldigen, dass die Folge an ein paar Stellen ein bisschen selbstreferenziell wird. Aber das lässt sich in diesem Fall, denke ich, nicht ganz vermeiden, wie ihr dann gleich hören werdet.

Sebastian, du hattest jetzt ja ein paar Momente darüber nachzudenken, welches Ritual ich meinen könnte. Und wenn du an die Apotheose der Union-Spieler gedacht hast, dann hast du richtig erraten, worum es geht: Darum, wie aus Fußballern bei Union „Fußballgötter“ geworden sind.

Für alle, die vielleicht hier zuhören, aber nicht regelmäßig zu Union gehen, quasi Hörer:innen nach dem Motto „In den Farben getrennt, im Interesse an Fußballgeschichte vereint“, und für alle, die es vielleicht in der langen Zeit, die man nicht ins Stadion gehen konnte, vergessen haben, will ich erstmal kurz erklären, worum es dabei geht: Wie in jedem Stadion werden auch bei Union vor dem Spiel die Mannschaftsaufstellungen angesagt. Im Stadion an der Alten Försterei macht das schon seit einer ganzen Weile Christian Arbeit. Er verliest ungefähr 25 Minuten vor Anpfiff die Aufstellung von Unions Gegner, und dabei bekommen alle Spieler ein gleichgültig-bis-verächtliches „Na und“ als Antwort des Publikums.

Deutlich näher am Anpfiff verkündet Christian dann die Aufstellung von Union. Die kann man zu diesem Zeitpunkt natürlich schon kennen kann, wenn man sie entweder veröffentlicht sieht oder das Warmmachen beobachtet. Aber es geht hier ja weniger um Informationen als um ein Ritual zur Selbstvergewisserung. Darauf kommen wir aber noch.

Dieses Ritual besteht jedenfalls darin, dass Christian Nummern, Vornamen und Nachnamen von Unions Startelf, der Spielern auf der Bank und des Trainers sagt – gern auch mit Anmerkungen zu deren aktueller Situation, und das Publikum jedem von ihnen ein „Fußballgott“ anhängt.

Das ist auf den ersten Blick eine ziemlich einfache Idee. Aber eben auch eine einmalige, denn ungefähr nirgendwo sonst gehen Fans und Vereine so polytheistisch mit ihren Mannschaften um. Jedenfalls gibt es meistens höchstens einen Fußballgott gleichzeitig. Dass das bei Union anders ist, fällt daher Beobachtenden von Außen auch immer wieder auf und wird in Porträts des Vereins gern als Sinnbild des Geistes von Union verwendet. So zum Beispiel in einem Feature des Deutschlandfunk von 2010:

O-Ton Deutschlandfunk

Gerade das hat dazu geführt, dass ich mich gefragt habe: Seit wann ist das eigentlich so, und wie kam man darauf? Und mit der Frage ist das natürlich auch ein Thema für unseren Geschichtspodcast hier.

Auf diese Fragen gibt es eine ziemlich konkrete Antwort, anders als beim viel älteren Schlachtruf „Eisern Union“, über dessen Ursprung du in der ersten Folge dieses Podcast gesprochen hast. Das liegt daran, dass dieses Ritual zwar inzwischen schon in eine ziemlich andere Union-Zeit zurück reicht, aber doch noch recht jung ist, nämlich etwa 15 Jahre alt.

Es stammt aus der Rückrunde der Saison 2005/06, in der Union nach dem sportlichen Kollaps der Mitt-Zweitausender in der Oberliga gespielt hat. Und Christian Arbeit hat die Entstehung des Rituals tatsächlich im Film zur ersten Bundesliga-Saison, Dit is Union, verstehste, erzählt:

O-Ton Christian Arbeit – Das Problem

Für dieses Problem der Orientierungslosigkeit hat man sich dann also die Fußballgott-Lösung einfallen lassen. Und Christian hat sie den Leuten und dem Stadion vorgeschlagen:

O-Ton Christian Arbeit – Die Lösung

Und an der Stelle kann ich vielleicht sagen, dass ich diese Variante wirklich charmant finde, gerade weil sie sehr einladend ist. Natürlich neuen Spielern gegenüber, aber auch neuem Publikum. Man muss nicht jeden Spielernamen kennen, um da mit zu machen, und schon gar nicht wissen, in welcher Kadenz er im Stadion gerufen wird. Man muss nur den Gedanken begreifen, dass die Definition von Fußballgott lautet:

„Bezeichnung, die alle Spieler des 1. FC Union Berlin (zb. Tusche, Keiler, Baume, Patsche, Böni, Micha, Karim) ab dem ersten Betreten des Platzes bis an ihr Lebensende adelt.“

So definiert das jedenfalls das Buch „Wir“ von Jan Hollants, Ute Arbeit und Erik Lautenschläger.

Allerdings täuscht Christians Erinnerung ihn bei der Herleitung des Problems, die Spieler nicht auseinander halten zu können, vielleicht doch ein bisschen. Denn so eine richtige Häufung von gleichen Vornamen gab es in dem Kader von 2006 nicht. Es gab zwar schon drei Daniels – Klose, Schulz und Teixeira. Aber ich weiß nicht, ob die wirklich für viel Verwirrung gesorgt haben, denn einer, Daniel Klose, war „nur“ der dritte Keeper und stand kaum im Kader und nie auf dem Platz, und der andere, Daniel Teixeira, hatte ja einen gebräuchlichen Spitznamen.

Ich glaube also, dass die Verwirrung eher mit dem großen Umbruch im Kader nach dem Abstieg aus der dritten in die vierte Liga zu tun hatte.

Interessant ist dabei vielleicht noch, dass das tatsächlich Christians erste Saison als Stadionsprecher war, in der er diesen Teil der „Liturgie“ eingeführt hat. Wie Christian überhaupt dazu kam, bei Union Stadionsprecher und später auch Pressesprecher zu werden, hat Christian auch mal bei uns im Podcast erklärt, in Folge 402, als er zusammen mit Micha Parensen bei uns zu Gast war. In den Shownotes zu unserer Folge jetzt findet ihr einen Link zu der Passage, in der er das erzählt.

Was ich an dieser Ursprungsgeschichte der Fußballgötter nun auch spannend finde, ist, dass sie eben nicht komplett spontan oder über Jahre und Jahrzehnte gestreckt oder diffus im Union-Kosmos verstreut ist, sondern ziemlich praktisch und konkret. Aber bevor man das jetzt falsch versteht: Nur, weil etwas wenn man so will konstruiert ist, ist es ja nicht weniger echt.

Als ich mit Christian Arbeit neulich noch einmal gesprochen und ihn nach der Geschichte gefragt habe, hat er mir dann eben auch gesagt, dass es am Anfang schon die Diskussion gegeben habe, ob das jeder gleich verdient. Aber Skepsis darüber habe sich nie durchgesetzt. Und realer kann so ein Gott-Status ja dann auch nicht sein.

Eigentlich war das jetzt schon die Geschichte. Aber nicht ganz. Denn die ein oder andere Glaubenskrise beim FC Uniooon, unsrer Religion! gab es nämlich doch auch.

Nun gab es dafür zwar in den 15 Jahren seit dieser Oberligasaison nicht allzu viele Anlässe, aber auf einen bin ich gestoßen, und zwar anhand dieses Groundhopping-Blogs: Ein Heimspiel gegen Paderborn am Beginn der Saison 2011/12. Das kam nach einer 4-0 Niederlage gegen Fürth im ersten Heimspiel der Saison und dem Ausscheiden im DFB-Pokal bei Rot-Weiß Essen. Wir können uns einmal anhören, wie danach die Begrüßung der Mannschaft klang:

O-Ton Textilvergehen: Man muss sich das Fußballgott verdienen

Da ist schon deutlich eine gewisse Unzufriedenheit heraus zu hören. Und für den Fall, dass das noch jemandem entgangen ist, wurde das auf der Waldseite auch noch explizit gemacht. Darüber haben wir, oder besser habt ihr damals auch im Textilvergehen gesprochen, aus dem auch der O-Ton der Begrüßung stammt. Folge 73, falls es schon jemand sucht.

O-Ton Textilvergehen: Was war damals 2011, zweiter Teil

„… muss man das erklären?“

Ja Robert, vielleicht schon hin und wieder. Das war auch ein Grund, warum ich mir das Thema für die Folge hier ausgesucht hab.

Aber hören wir nochmal ein bisschen weiter rein, wie ihr das damals empfunden habt:

O-Ton Textilvergehen: Was war damals 2011, zweiter Teil

Dass dieses Mittel gewählt wurde, finde ich schon spannend. Und auch, dass es darüber zumindest in dem Podcast, der die allgemeine Stimmung ja bestimmt ein Stück weit eingefangen hat, keine Kontroverse gab. Gestritten habt ihr euch ein bisschen über das zweite der vorhin angesprochenen Transparente. Auf dem stand: „Unzufrieden“, und das UN am Anfang war hervorgehoben. Wem es gelungen ist, sich zehn Jahre zurückzuversetzen oder zu erinnern, weiß, was oder besser wer damit gemeint war: Trainer Uwe Neuhaus. Dass er damit in der Kritik hervorgehoben wurde, fandest du Sebastian damals nicht gut, Robert dagegen ok.

Aber mit dem Liebesentzug in Form des aus-dem-Fußballgott-Olymp-erstmal-wieder-runterholen hatte niemand im Podcast ein Problem. Hören wir nocheinmal kurz rein:

O-Ton Textilvergehen: Was war damals 2011, zweiter Teil

Aber dass damals sowohl sportlich als auch in der Beziehung zwischen Fans und Mannschaft einiges nicht gestimmt hat, wurde dann eine Woche später deutlich. Da hat Union nämlich nochmal 4-0 verloren, in Dresden, und gab es tatsächlich Pfiffe gegen die Mannschaft. Das war dann ein klarer Bruch der Boone’schen Gesetze, der nachhaltig bis heute in Erinnerung geblieben ist, und über den zum Beispiel gesprochen wurde, als die sportliche Situation in der Saison 2017-18 sehr mau war.

Daran, dass der gottgleiche Status der Unionspieler systematisch in Zweifel gezogen wurde, kann ich mich seitdem aber nicht erinnern. Was dagegen öfter vorkommt, ist, dass jemand mit einem besonders lauten und energischen „Fußballgott“ hervorgehoben wird. Wenn das bei jemandem passiert, der gerade nicht spielt, kann das zwar auch eine kritische Note haben, aber zum größten Teil ist das tatsächlich eine Gelegenheit, Spieler besondere Zuneigung spüren zu lassen – in manchen Fällen auch solche, die inzwischen gar nicht mehr bei Union sind, sondern als Gästespieler wieder kommen. Und damit können wir zum Schluss noch einmal den Bogen zum Anfang der Folge spannen: Es ist nämlich schade, dass etliche Fußballgötter noch gar nicht zu solchen erkoren werden konnten, weil sie noch nicht vor Publikum im Stadion an der Alten Försterei gespielt haben. Das betrifft im aktuellen Kader Petar Musa, Leon Dajaku und vor allem auch die Nachwuchsspieler Fabio Schneider und Mathis Bruns, die im Lauf der Saison mal im Kader standen. Und auch Max Kruse oder Robin Knoche, die nur weniger Male vor einem sozial distanzierten Publikum gespielt haben, fühlen sich da vielleicht noch eher wie Halbgötter.

On Air:

Die Musik wurde von David erstellt und die Logos von Steffi entworfen. Der Podcast beruht auf dem Konzept des famosen Geschichts-Podcasts Zeitsprung von Daniel Meßner und Richard Hemmer. Danke für alles!

Bewertet unseren Podcast oder schreibt Rezensionen bei iTunes oder auf Panoptikum.io. Ihr könnt "Und niemals vergessen" auch bei Spotify oder Deezer hören und abonnieren.

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Wenn im Stadion an der Alten Försterei die Mannschaftsaufstellung des 1. FC Union Berlin angesagt wird, begrüßen die Unioner:innen alle Spieler als "Fußballgott". Seit wann ist das eigentlich so, und kam es auch mal vor, dass von diesem Teil der Liturgie abgewichen wurde?

Skript

Ich will heute die kurze Geschichte davon erzählen, wie sich eins der stilprägenden Elemente bei Union etabliert hat. Und zwar eins, das zu den Dingen gehört, die wir in dieser sehr anstrengenden Pandemie-Zeit gerade, in der unter anderem der Fußball als Stadionerlebnis fehlt, vermissen. Es tut mir leid, wenn darüber zu reden dann ein bisschen „Immer aufs Schlimme“-Charakter hat, aber vielleicht funktioniert die Folge ja dann auch ein bisschen als Methadon dafür.

Vorab möchte ich mich kurz übrigens noch dafür entschuldigen, dass die Folge an ein paar Stellen ein bisschen selbstreferenziell wird. Aber das lässt sich in diesem Fall, denke ich, nicht ganz vermeiden, wie ihr dann gleich hören werdet.

Sebastian, du hattest jetzt ja ein paar Momente darüber nachzudenken, welches Ritual ich meinen könnte. Und wenn du an die Apotheose der Union-Spieler gedacht hast, dann hast du richtig erraten, worum es geht: Darum, wie aus Fußballern bei Union „Fußballgötter“ geworden sind.

Für alle, die vielleicht hier zuhören, aber nicht regelmäßig zu Union gehen, quasi Hörer:innen nach dem Motto „In den Farben getrennt, im Interesse an Fußballgeschichte vereint“, und für alle, die es vielleicht in der langen Zeit, die man nicht ins Stadion gehen konnte, vergessen haben, will ich erstmal kurz erklären, worum es dabei geht: Wie in jedem Stadion werden auch bei Union vor dem Spiel die Mannschaftsaufstellungen angesagt. Im Stadion an der Alten Försterei macht das schon seit einer ganzen Weile Christian Arbeit. Er verliest ungefähr 25 Minuten vor Anpfiff die Aufstellung von Unions Gegner, und dabei bekommen alle Spieler ein gleichgültig-bis-verächtliches „Na und“ als Antwort des Publikums.

Deutlich näher am Anpfiff verkündet Christian dann die Aufstellung von Union. Die kann man zu diesem Zeitpunkt natürlich schon kennen kann, wenn man sie entweder veröffentlicht sieht oder das Warmmachen beobachtet. Aber es geht hier ja weniger um Informationen als um ein Ritual zur Selbstvergewisserung. Darauf kommen wir aber noch.

Dieses Ritual besteht jedenfalls darin, dass Christian Nummern, Vornamen und Nachnamen von Unions Startelf, der Spielern auf der Bank und des Trainers sagt – gern auch mit Anmerkungen zu deren aktueller Situation, und das Publikum jedem von ihnen ein „Fußballgott“ anhängt.

Das ist auf den ersten Blick eine ziemlich einfache Idee. Aber eben auch eine einmalige, denn ungefähr nirgendwo sonst gehen Fans und Vereine so polytheistisch mit ihren Mannschaften um. Jedenfalls gibt es meistens höchstens einen Fußballgott gleichzeitig. Dass das bei Union anders ist, fällt daher Beobachtenden von Außen auch immer wieder auf und wird in Porträts des Vereins gern als Sinnbild des Geistes von Union verwendet. So zum Beispiel in einem Feature des Deutschlandfunk von 2010:

O-Ton Deutschlandfunk

Gerade das hat dazu geführt, dass ich mich gefragt habe: Seit wann ist das eigentlich so, und wie kam man darauf? Und mit der Frage ist das natürlich auch ein Thema für unseren Geschichtspodcast hier.

Auf diese Fragen gibt es eine ziemlich konkrete Antwort, anders als beim viel älteren Schlachtruf „Eisern Union“, über dessen Ursprung du in der ersten Folge dieses Podcast gesprochen hast. Das liegt daran, dass dieses Ritual zwar inzwischen schon in eine ziemlich andere Union-Zeit zurück reicht, aber doch noch recht jung ist, nämlich etwa 15 Jahre alt.

Es stammt aus der Rückrunde der Saison 2005/06, in der Union nach dem sportlichen Kollaps der Mitt-Zweitausender in der Oberliga gespielt hat. Und Christian Arbeit hat die Entstehung des Rituals tatsächlich im Film zur ersten Bundesliga-Saison, Dit is Union, verstehste, erzählt:

O-Ton Christian Arbeit – Das Problem

Für dieses Problem der Orientierungslosigkeit hat man sich dann also die Fußballgott-Lösung einfallen lassen. Und Christian hat sie den Leuten und dem Stadion vorgeschlagen:

O-Ton Christian Arbeit – Die Lösung

Und an der Stelle kann ich vielleicht sagen, dass ich diese Variante wirklich charmant finde, gerade weil sie sehr einladend ist. Natürlich neuen Spielern gegenüber, aber auch neuem Publikum. Man muss nicht jeden Spielernamen kennen, um da mit zu machen, und schon gar nicht wissen, in welcher Kadenz er im Stadion gerufen wird. Man muss nur den Gedanken begreifen, dass die Definition von Fußballgott lautet:

„Bezeichnung, die alle Spieler des 1. FC Union Berlin (zb. Tusche, Keiler, Baume, Patsche, Böni, Micha, Karim) ab dem ersten Betreten des Platzes bis an ihr Lebensende adelt.“

So definiert das jedenfalls das Buch „Wir“ von Jan Hollants, Ute Arbeit und Erik Lautenschläger.

Allerdings täuscht Christians Erinnerung ihn bei der Herleitung des Problems, die Spieler nicht auseinander halten zu können, vielleicht doch ein bisschen. Denn so eine richtige Häufung von gleichen Vornamen gab es in dem Kader von 2006 nicht. Es gab zwar schon drei Daniels – Klose, Schulz und Teixeira. Aber ich weiß nicht, ob die wirklich für viel Verwirrung gesorgt haben, denn einer, Daniel Klose, war „nur“ der dritte Keeper und stand kaum im Kader und nie auf dem Platz, und der andere, Daniel Teixeira, hatte ja einen gebräuchlichen Spitznamen.

Ich glaube also, dass die Verwirrung eher mit dem großen Umbruch im Kader nach dem Abstieg aus der dritten in die vierte Liga zu tun hatte.

Interessant ist dabei vielleicht noch, dass das tatsächlich Christians erste Saison als Stadionsprecher war, in der er diesen Teil der „Liturgie“ eingeführt hat. Wie Christian überhaupt dazu kam, bei Union Stadionsprecher und später auch Pressesprecher zu werden, hat Christian auch mal bei uns im Podcast erklärt, in Folge 402, als er zusammen mit Micha Parensen bei uns zu Gast war. In den Shownotes zu unserer Folge jetzt findet ihr einen Link zu der Passage, in der er das erzählt.

Was ich an dieser Ursprungsgeschichte der Fußballgötter nun auch spannend finde, ist, dass sie eben nicht komplett spontan oder über Jahre und Jahrzehnte gestreckt oder diffus im Union-Kosmos verstreut ist, sondern ziemlich praktisch und konkret. Aber bevor man das jetzt falsch versteht: Nur, weil etwas wenn man so will konstruiert ist, ist es ja nicht weniger echt.

Als ich mit Christian Arbeit neulich noch einmal gesprochen und ihn nach der Geschichte gefragt habe, hat er mir dann eben auch gesagt, dass es am Anfang schon die Diskussion gegeben habe, ob das jeder gleich verdient. Aber Skepsis darüber habe sich nie durchgesetzt. Und realer kann so ein Gott-Status ja dann auch nicht sein.

Eigentlich war das jetzt schon die Geschichte. Aber nicht ganz. Denn die ein oder andere Glaubenskrise beim FC Uniooon, unsrer Religion! gab es nämlich doch auch.

Nun gab es dafür zwar in den 15 Jahren seit dieser Oberligasaison nicht allzu viele Anlässe, aber auf einen bin ich gestoßen, und zwar anhand dieses Groundhopping-Blogs: Ein Heimspiel gegen Paderborn am Beginn der Saison 2011/12. Das kam nach einer 4-0 Niederlage gegen Fürth im ersten Heimspiel der Saison und dem Ausscheiden im DFB-Pokal bei Rot-Weiß Essen. Wir können uns einmal anhören, wie danach die Begrüßung der Mannschaft klang:

O-Ton Textilvergehen: Man muss sich das Fußballgott verdienen

Da ist schon deutlich eine gewisse Unzufriedenheit heraus zu hören. Und für den Fall, dass das noch jemandem entgangen ist, wurde das auf der Waldseite auch noch explizit gemacht. Darüber haben wir, oder besser habt ihr damals auch im Textilvergehen gesprochen, aus dem auch der O-Ton der Begrüßung stammt. Folge 73, falls es schon jemand sucht.

O-Ton Textilvergehen: Was war damals 2011, zweiter Teil

„… muss man das erklären?“

Ja Robert, vielleicht schon hin und wieder. Das war auch ein Grund, warum ich mir das Thema für die Folge hier ausgesucht hab.

Aber hören wir nochmal ein bisschen weiter rein, wie ihr das damals empfunden habt:

O-Ton Textilvergehen: Was war damals 2011, zweiter Teil

Dass dieses Mittel gewählt wurde, finde ich schon spannend. Und auch, dass es darüber zumindest in dem Podcast, der die allgemeine Stimmung ja bestimmt ein Stück weit eingefangen hat, keine Kontroverse gab. Gestritten habt ihr euch ein bisschen über das zweite der vorhin angesprochenen Transparente. Auf dem stand: „Unzufrieden“, und das UN am Anfang war hervorgehoben. Wem es gelungen ist, sich zehn Jahre zurückzuversetzen oder zu erinnern, weiß, was oder besser wer damit gemeint war: Trainer Uwe Neuhaus. Dass er damit in der Kritik hervorgehoben wurde, fandest du Sebastian damals nicht gut, Robert dagegen ok.

Aber mit dem Liebesentzug in Form des aus-dem-Fußballgott-Olymp-erstmal-wieder-runterholen hatte niemand im Podcast ein Problem. Hören wir nocheinmal kurz rein:

O-Ton Textilvergehen: Was war damals 2011, zweiter Teil

Aber dass damals sowohl sportlich als auch in der Beziehung zwischen Fans und Mannschaft einiges nicht gestimmt hat, wurde dann eine Woche später deutlich. Da hat Union nämlich nochmal 4-0 verloren, in Dresden, und gab es tatsächlich Pfiffe gegen die Mannschaft. Das war dann ein klarer Bruch der Boone’schen Gesetze, der nachhaltig bis heute in Erinnerung geblieben ist, und über den zum Beispiel gesprochen wurde, als die sportliche Situation in der Saison 2017-18 sehr mau war.

Daran, dass der gottgleiche Status der Unionspieler systematisch in Zweifel gezogen wurde, kann ich mich seitdem aber nicht erinnern. Was dagegen öfter vorkommt, ist, dass jemand mit einem besonders lauten und energischen „Fußballgott“ hervorgehoben wird. Wenn das bei jemandem passiert, der gerade nicht spielt, kann das zwar auch eine kritische Note haben, aber zum größten Teil ist das tatsächlich eine Gelegenheit, Spieler besondere Zuneigung spüren zu lassen – in manchen Fällen auch solche, die inzwischen gar nicht mehr bei Union sind, sondern als Gästespieler wieder kommen. Und damit können wir zum Schluss noch einmal den Bogen zum Anfang der Folge spannen: Es ist nämlich schade, dass etliche Fußballgötter noch gar nicht zu solchen erkoren werden konnten, weil sie noch nicht vor Publikum im Stadion an der Alten Försterei gespielt haben. Das betrifft im aktuellen Kader Petar Musa, Leon Dajaku und vor allem auch die Nachwuchsspieler Fabio Schneider und Mathis Bruns, die im Lauf der Saison mal im Kader standen. Und auch Max Kruse oder Robin Knoche, die nur weniger Male vor einem sozial distanzierten Publikum gespielt haben, fühlen sich da vielleicht noch eher wie Halbgötter.

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