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84. Luhmann Systemtheorie: Recht der Gesellschaft, S. 372, K08

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Gründe sind ausgewählte Unterscheidungen, die bei der Interpretation eines Rechtstextes in der juristischen Argumentation angeführt werden. Um im Recht als „guter“ Grund anerkannt zu werden, muss die Begründung zudem zeigen, dass sie konsistent mit geltendem Recht ist. Aber welche Funktion erfüllt das Argumentieren überhaupt? Wozu braucht es Begründungen? Gehen wir vom Anspruch des Rechtssystems aus, alleinzuständig für die Produktion von geltendem Recht zu sein. Rechtsgeltung ist das Symbol des Systems. Allerdings ist Rechtsgeltung eine Tautologie: Das Recht gilt, weil das Recht besagt, dass die Geltung rechtens ist. Gründe verhüllen diese Tautologie. Mit „guten“ Gründen (geprüft, konsistent, rechtlich anerkannt) begründet das Recht, warum welches Recht gilt. Abstrakter formuliert, erklärt die Theorie sozialer Systeme die Funktion des Begründens in der Argumentation mit der Unterscheidung von Redundanz und Varietät. Begründungen symbolisieren Redundanz. Bei der Interpretation eines Rechtstextes wendet der Interpret die leitenden Systemunterscheidungen – Recht/Unrecht, gleicher/ungleicher Fall – auf jede einzelne Überlegung an. Dabei muss er beweisen, dass seine ausgewählten Unterscheidungen konsistent mit geltendem Recht sind. Varietät entsteht dabei von selbst: sobald der Fall ungleich ist. Dann muss er auch ungleich behandelt werden. Die Argumentation jongliert also mit Redundanz und Varietät. Beide sind Variable. Redundanz liegt vor, wenn eine Begründung dafür plädiert, die Eigenartigkeit des Falls einem schon vorhandenen Falltypus zuzuordnen und dafür bewährte Entscheidungsprogramme und Regeln anzuwenden. Mit Varietät wird sparsam umgegangen. Denn jeder Fall gebärdet sich natürlich als einzigartig. Durch den permanenten Check von Gleichheit/Ungleichheit des Falls verhindert die Argumentation jedoch, immer dieselben Redundanzen anwenden zu können. In dieser Operationsweise kann man auch eine Selbstbeschreibung des Systems erkennen: Das Rechtssystem produziert „Gerechtigkeit“ in einem systemspezifischen Sinne. Es bezieht sich permanent auf geltendes Recht (Redundanz) und variiert in ungleichen Fällen. Gerechtigkeit ist dabei kein Argument an sich. Die Theorie sozialer Systeme weist also auf die Ebene der Beobachtung dritter Ordnung hin. Von dieser Warte aus kann man ein Unterscheidungsschema mitten im Begründen erkennen. Durch die Unterscheidung von Redundanz/Varietät handhabt das System die Tautologie der Rechtsgeltung in der Praxis. Durch diese Vorgehensweise verschafft es sich soziale Akzeptanz, kontrolliert sich selbst, schützt sich selbst vor Überlastung und bleibt lernfähig.
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Gründe sind ausgewählte Unterscheidungen, die bei der Interpretation eines Rechtstextes in der juristischen Argumentation angeführt werden. Um im Recht als „guter“ Grund anerkannt zu werden, muss die Begründung zudem zeigen, dass sie konsistent mit geltendem Recht ist. Aber welche Funktion erfüllt das Argumentieren überhaupt? Wozu braucht es Begründungen? Gehen wir vom Anspruch des Rechtssystems aus, alleinzuständig für die Produktion von geltendem Recht zu sein. Rechtsgeltung ist das Symbol des Systems. Allerdings ist Rechtsgeltung eine Tautologie: Das Recht gilt, weil das Recht besagt, dass die Geltung rechtens ist. Gründe verhüllen diese Tautologie. Mit „guten“ Gründen (geprüft, konsistent, rechtlich anerkannt) begründet das Recht, warum welches Recht gilt. Abstrakter formuliert, erklärt die Theorie sozialer Systeme die Funktion des Begründens in der Argumentation mit der Unterscheidung von Redundanz und Varietät. Begründungen symbolisieren Redundanz. Bei der Interpretation eines Rechtstextes wendet der Interpret die leitenden Systemunterscheidungen – Recht/Unrecht, gleicher/ungleicher Fall – auf jede einzelne Überlegung an. Dabei muss er beweisen, dass seine ausgewählten Unterscheidungen konsistent mit geltendem Recht sind. Varietät entsteht dabei von selbst: sobald der Fall ungleich ist. Dann muss er auch ungleich behandelt werden. Die Argumentation jongliert also mit Redundanz und Varietät. Beide sind Variable. Redundanz liegt vor, wenn eine Begründung dafür plädiert, die Eigenartigkeit des Falls einem schon vorhandenen Falltypus zuzuordnen und dafür bewährte Entscheidungsprogramme und Regeln anzuwenden. Mit Varietät wird sparsam umgegangen. Denn jeder Fall gebärdet sich natürlich als einzigartig. Durch den permanenten Check von Gleichheit/Ungleichheit des Falls verhindert die Argumentation jedoch, immer dieselben Redundanzen anwenden zu können. In dieser Operationsweise kann man auch eine Selbstbeschreibung des Systems erkennen: Das Rechtssystem produziert „Gerechtigkeit“ in einem systemspezifischen Sinne. Es bezieht sich permanent auf geltendes Recht (Redundanz) und variiert in ungleichen Fällen. Gerechtigkeit ist dabei kein Argument an sich. Die Theorie sozialer Systeme weist also auf die Ebene der Beobachtung dritter Ordnung hin. Von dieser Warte aus kann man ein Unterscheidungsschema mitten im Begründen erkennen. Durch die Unterscheidung von Redundanz/Varietät handhabt das System die Tautologie der Rechtsgeltung in der Praxis. Durch diese Vorgehensweise verschafft es sich soziale Akzeptanz, kontrolliert sich selbst, schützt sich selbst vor Überlastung und bleibt lernfähig.
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