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CL004 - Die Titius-Bode-Reihe und die Vorhersage neuer Planeten
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CL 004 - Über die Titius-Bode-Reihe und die Vorhersage von Planeten
Die Episode über die Titius-Bode-Reihe und ihren Einfluss auf die Entdeckung neuer Planeten
Die Sommerferien sind vorbei und das aktuelle Vorlesungsverzeichnis der Uni bringt einen alten Bekannten aus dem ersten Semester wieder: Die Titius-Bode-Reihe ist zurück! Was das genau ist und warum sie heute noch interessant bei der Vorhersage von Exoplaneten ist, besprechen Eva und Teresa in dieser Episode.
Begrüßung
Da die Sommerferien so gut wie vorüber sind, unterhalten sich Eva und Teresa über das kommende Semester und welche interessanten Seminare sie im aktuellen Vorlesungsverzeichnis gefunden haben. Und erleben dabei einen Flashback zurück ins erste Semester ihres Studiums!
Zudem erkundigt sich Eva über das Master-Studium in Astronomie bei Teresa – da sie ihr hier schon voraus ist. Dabei erzählt Teresa von einer Vorlesung über Exoplaneten, was Eva aufgreift, um auf ein Seminar an der Universität Wien hinzuweisen, das sich über Sinn und Unsinn der Tititus-Bode-Reihe (TBR) befasst.
Das nimmt Eva auch gleich als Anlass sich die TBR genauer anzusehen. Denn was verbirgt sich eigentlich dahinter? Sie erklärt, was die Reihe beschreibt und zeigt, ob sie eine Bedeutung in der aktuellen Entdeckung von Exoplaneten, also Planeten außerhalb des Sonnensystems, hat.
Die Titius-Bode-Reihe
Die Titius-Bode-Reihe beschreibt eine numerische Beziehung der Abstände der Planeten zur Sonne anhand ihrer Reihenfolge im Sonnensystem und ist empirisch abgeleitet. Benannt ist sie nach Johann Daniel Titius (1729-1796), der sie erstmal beschrieb, und Johann Elert Bode (1747-1826), der sie bekannt machte.
Der Gedanke dabei war, dass die Abstände der Planeten, in Form ihrer mittleren Bahnradien, in einer mathematischen Formel abgebildet werden können - und somit einer gewissen Gesetzmäßigkeit folgen. So entstand folgende geometrische Folge:
Rn = 4 + 3 ⋅ 2n
Der Exponent n steht für den Index der Folge und beginnt bei Merkur, dem innersten Planeten, mit −∞, gefolgt von Venus mit n= 0, die Erde mit n=1, Mars mit n= 2, usw.
Daraus ergeben sich von Merkur bis Saturn die zugehörigen Glieder der Folge 4, 7, 10, 16, 28, 52, 100. Der Erde wird somit der mittlere Bahnradius mit der Zahl 10 zugeordnet. Wichtig ist an dieser Stelle zu erwähnen, dass es sich hier um relative Entfernungen der Planeten zur Sonne handelt, da die absoluten Entfernungen damals noch nicht bekannt waren.
Die ursprüngliche Form der TBR wurde allerdings modifiziert. In der modernen Form wurde noch durch zehn dividiert, dann ergibt sich nämlich der Abstand der Planeten in Astronomischen Einheiten (AE):
a[AE]= 0,4 + 0,3 ⋅ 2n mit n = -∞, 0,1,2,3, …
(1 AE ist der mittlere Abstand Erde-Sonne, was ca. 150 Millionen km sind oder genau 149 597 870 km; das ist 3733 mal der Erdumfang)
Damit ergibt sich für die Erde der Wert 1, also genau der Distanz zwischen Erde und Sonne. Für den Mars, als weiteres Beispiel, kommt die Reihe auf den Wert 1,6. Die tatsächliche gemessene Entfernung liegt bei 1,56 AE, woraus sich eine Abweichung von 5,26% ergibt.
Tatsächlich weicht die TBR bei den inneren Planeten des Sonnensystems nur um ein paar Prozent ab. Jedoch wird sie bei zunehmender Entfernung sehr ungenau und verliert jede Gültigkeit. Letztlich entpuppte sie sich als Zahlenspielerei – hat jedoch in der Geschichte der Astronomie eine nicht geringe Bedeutung.
Zufall oder göttlicher Plan?
Ausgangspunkt war damals, etwa ab dem 18. Jahrhundert, die Frage nach einer “Architektur eines Planetensystems”. Wenn wir wissen, dass es bestimmte Bewegungsmuster der Planeten im Sonnensystem gibt, wie die annähernd kreisförmigen Umlaufbahnen, dass alle Planeten nahezu auf einer Ebene liegen und sie in derselben Richtung die Sonne umkreisen – dann lassen sich durchaus Gesetzmäßigkeiten erkennen. Der Gedanke, dass die Planeten dann ebenfalls nicht zufällig im Sonnensystem verteilt sind, sondern ihre Abstände einer bestimmten Struktur folgen, hatte schon der Astronom Johannes Kepler im Kopf. Und er fand ja auch als Erster einen entsprechenden Zusammenhang: sein drittes Keplersches Gesetz erklärt, wie der Abstand eines Planeten von der Sonne mit seiner Umlaufzeit zusammenhängt. Aber damit wusste man immer noch nicht, warum die einzelnen Planeten genau die beobachteten Abstände hatten. War es nur Zufall? Oder steckte irgendein (göttlicher) Plan dahinter?
Keplers Ansätze zu einem "göttlichen" Bauplan überzeugten aber weniger, sondern wirkten konstruiert und auf die meisten anderen Astronomen eher esoterisch.
Ab dem 18. Jahrhundert stellten sich Astronomen zunehmend Fragen über die Zusammensetzung des Sonnensystems. Warum befanden sich die Planeten dort, wo sie eben sind? Allerdings wusste man damals noch recht wenig über die Planetenentstehung. Die Hoffnung bestand, dass über ihre Verteilung irgendwelche Regeln abgeleitet werden können.
Und 1766 meinte der Astronom Johann Daniel Titius von der Universität Wittenberg dann genau so ein Gesetz gefunden zu haben, das die Abstände der Planeten von der Sonne beschreibt.
Da er allerdings in astronomischen Fachkreisen nicht bekannt war, wurde seine Formel zunächst ignoriert. Das änderte sich erst als sie Johann Elert Bode, damals Direktor der Sternwarte in Berlin, veröffentlichte. Sie passte mach damaligen Erkenntnissen auch ganz wunderbar - bis auf einen kleinen Makel: zwischen Mars und Jupiter müsste nach der Reihe eigentlich noch ein Planet sein. Man ging dann davon aus, dass man diesen Planeten einfach noch nicht gefunden hatte und eine große Suchaktion begann.
1800 wurde sogar eine “Himmelspolizey“ (die hieß tatsächlich so) gegründet. Übrigens von einem österreichischen Astronomen, Franz Xaver von Zach, geführt.
Tatsächlich wurde nur ein Jahr später der gesuchte Planet gefunden - zwar nicht von der Himmelspolizey und auch eher durch Zufall fand der Italiener Giusepe Piazzi einen neuen Himmelskörper genau dort, wo durch die TBR noch ein Planet sein sollte. Der Kleinplanet (damals ein Planet) wurde später Ceres getauft und alle waren happy.
Das Ende der Tititus-Bode-Reihe
Ein Jahr später entdeckte Wilhelm Olbers jedoch einen zweiten (Klein) Planeten, ebenfalls zwischen Mars und Jupiter. Ihm wurde der Name Pallas gegeben. Und als wäre das noch nicht genug, folgten noch weitere Entdeckungen wie Juno und Vesta und auf einmal hatte man da irgendwie zu viele Planeten, was etwas irritierte. Zudem hatte in der Zwischenzeit Wilhelm Herschel auch noch Uranus entdeckt, der zwar nicht ganz aber irgendwie doch gerade noch in die Reihe passte. Allerdings merkte Herschel bereits an, dass die neu entdeckten Planeten doch etwas klein waren. In seinem Teleskop hatte er statt den hellen Scheibchen, die man bei Planeten sehen müsste, nur kleine Lichtpünktchen gesehen. Das endgültige Ende der Titius-Bode-Reihe kam dann 1846 mit der Entdeckung von Neptun. Der von Johann Galle in Berlin entdeckte Planet passte nun überhaupt nicht mehr ins Schema: anstatt den vorhergesagten 388 Einheiten Abstand, befand er sich nur 300 Einheiten von der Sonne entfernt. In den nächsten Jahren fand man immer mehr derartige „Planeten“, sodass Alexander von Humboldt 1851 vorschlug, nur die “großen Acht”, also Merkur, Venus, Erde, Mars, Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun als Planeten zu bezeichnen.
Die restlichen Objekte wurden ab da als Asteroiden bezeichnet - was sich bis heute gehalten hat. Und die Region zwischen Mars und Jupiter ist der heute bekannte Asteroidengürtel - mittlerweile kennen wir 600.000 Asteroiden, die sich dort zwischen den Umlaufbahnen von Mars und Jupiter herumtreiben.
Aber zurück zur TBR, die sich also als Zahlenspielerei herausstellte und keinen physikalischen Hintergrund hat. Sie hat nur deshalb “funktioniert”, weil Titius die Parameter entsprechend hingebogen und einige Ungenauigkeiten ignoriert hatte. Er tat das, was man gemeinhin als „fitten“ (Kurvenanpassung) kennt – also eine mathematische Modellfunktion an bestimmte Datenpunkte anzupassen. So gesehen, kann man fast immer eine Gleichung oder ein Modell finden, dass dem Datensatz entspricht – daraus aber eine allgemeingültige Formel abzuleiten ist nicht zulässig. Auch wenn die „Himmelspolizey“ erfolglos war, so hatte man dennoch einen neue Klasse von Himmelskörpern entdeckt, nämlich die Asteroiden.
Auf der Suche nach Exoplaneten
Warum die Reihe für uns heute noch interessant ist und sich die Astronomie damit beschäftigt liegt wohl darin begründet, dass der Gedanke, dass die Abstände der Planeten im System irgendwelchen Regeln unterliegen, etwas sehr Verführerisches hat. Dann könnten wir Planeten in extrasolaren Systemen vorhersagen, wo wir ja meist nur einige wenige kennen. Genau darum machen sich auch heute noch immer WissenschaftlerInnen und ForscherInnen dazu Gedanken. Erst 2013 haben zwei australische Wissenschaftler, Timothy Bovaird und Charles H. Lineweaver von der Australian National University in Canberra, in ihrem Paper “Exoplanet Predictions Based on the Generalised Titius-Bode Relation” genau das versucht. Sie haben die TBR dabei nicht in der bekannten Form verwendet, sondern in einer allgemeineren Version:
an = a ⋅ Cn mit n= 1,2,3,…
Dabei ist an die große Halbachse des n-ten Planeten, also der mittlere Abstand des Planeten zum Stern. n ist die Nummer des Planeten im System; beispielsweise hätte bei uns dann Merkur die Nummer 0, Venus hätte n=1; die Erde n=2; und so weiter.
a (nicht mit a_n verwechseln – die Parameter wurden hier etwas unglücklich benannt!) und C auf der rechten Seite der Formel sind zwei Zahlen, die für jedes Planetensystem die Abstände bestimmen und genau die Parameter, die man herausfinden muss. Kennt man a und C dann kann man berechnen, wo sich ein Planet befinden müsste.
Sie haben dann die neue verallgemeinerte Reihe an 68 Exoplaneten Systemen getestet und insgesamt über 100 Planeten vorhergesagt. Was wurde aus der Studie? Hat man all die neuen Planeten gefunden? Eher nicht – sie wurde zwar ein paar mal zitiert; der große Durchbruch dürfte ausgeblieben sein. Dass es immer noch ein interessantes Forschungsfelds ist, zeigt aber das Suchergebnis in der ADS-Literarturdatenbank - v.a. in Hinblick auf die Vorhersage von Exoplaneten in multiplanetaren Systemen.
Hier zeigt sich zwar die immer noch bestehende Aktualität, aber zugleich stellt sich natürlich unweigerlich die Frage, wie zielführend das überhaupt sein kann. Denn wenn man bedenkt, dass die ursprüngliche TBR ja in unserem Sonnensystem nicht stimmt, wieso sollte es dann in einem anderen Systemen besser funktionieren? Können wir damit überhaupt extrasolare Planeten entdecken?
Über die Validität der Tititus-Bode-Reihe
Auf Nachfrage bei Prof. Dvorak, der das eingangs erwähnte Seminar an der Uni Wien im Wintersemester leiten wird, meinte dieser auch, dass seine persönliche Meinung ist, dass man verschiedene Zahlenreihen finden kann, die solche Gesetze vermuten lassen, die aber seines Erachtens willkürlich sind. Denn dahinter müsste ein physikalisches Gesetz stehen.
Der physikalische Hintergrund ist wohl einer der größten Knackpunkte bei der Geschichte. Denn ein wesentlicher Aspekt wird dabei nicht berücksichtigt, und zwar jener der Planetenentstehung. So kennen wir zwar noch nicht alle Details zur Planetenentstehung, wissen aber dass diese chaotisch abläuft – daher ist es fraglich, ob eine simple Regel der Planetenabstände existieren kann, wenn das, was diese Abstände erzeugt ein chaotischer Prozess ist. Warum sollten genau die Abstände der Planeten irgendwelchen Regeln folgen? Auch wenn es ein paar Faustregeln gibt, reichen diese wohl nicht für ein Gesetz, aus dem sich die Abstände festlegen lassen. Dazu gibt es zu viele Parameter, welche die Entstehung und letztlich auch ihre Abstände beeinflussen: Wie groß ist der ursprüngliche Nebel, aus dem alles entsteht? Wie stark leuchtet der Stern und wie stark ist sein Sternwind? Ist es ein Einzelstern oder Doppelstern-System?
Und dann gibt es auch noch planetare Migration: Denn die Planeten bleiben im Allgemeinen nicht dort, wo sie entstehen, sondern wandern durch das Sonnensystem, es kommt zu Kollisionen, Planeten werden wieder zerstört oder aus dem System geworfen. Dass sie sich dann nach dieser Dynamik wieder dort einfinden, wo sie laut einer simplen Formel sein sollten, ist dann eher unwahrscheinlich.
Und dann ist da noch die Sache mit den Asteroiden, die in der Reihe berücksichtigt wurden, damit sie passt. Aber der Asteroidengürtel ist kein Planet und an seiner Stelle war auch nie einer. Dafür ist dort einfach zu wenig Material. Tatsächlich konnte sich an dieser Stelle im Sonnensystem auch kein Planet entwickeln, weil der gravitative Einfluss von Jupiter das verhindert hat. Wäre der Jupiter kleiner, hätte sich dort vielleicht ein Planet bilden können. Das ist ein weiterer Punkt, den die Reihe vernachlässigt, nämlich die Masse. Wie anhand von Jupiter zu sehen ist, ist aber gerade dies ein wichtiger Parameter, denn die wechselseitigen gravitativen Störungen bestimmen sehr wohl, wo sich ein Planeten befinden kann und wo nicht. Will man also eine Gesetzmäßigkeit finden, müsste man auch die Massen der Planeten berücksichtigen.
Fazit
Natürlich wäre es toll, wenn man eine Vorhersage treffen könnte, wie Planetensysteme aussehen. Für einen Satz von Datenpunkten lässt sich immer eine Interpolationsformel finden – allerdings ignoriert das den physikalischer Mechanismus, der eine bestimmte Reihe von Abständen der Planeten hervorruft - damit bleiben die Versuche, neue Formen der Titius-Bode-Reihe zu bestimmen, letztlich nur Zahlenspielereien. Die TBR liefert keine gesicherte Erklärung und hat auch keinerlei Bezug zu physikalischen Gesetzen. Daher sollte man bei diesen Reihen und Folgen stets skeptisch bleiben, da ihnen meist eine gewisse Willkür anhaftet.
Weiterführende Information
- Die Titius-Bode-Reihe auf „ScienceBlogs.de“
- Planetenvorhersage mit der TBR auf „ScienceBlogs.de
- Die Titius-Bode-Reihe auf „Spektrum.de“
- Ehemalige Planeten auf „ScienceBlogs.de“
- „Krawumm: Ein Plädoyer für den Weltuntergang“ (Florian Freistetter, 2012)
Kontakt
Falls ihr Fragen habt, dann schickt uns eine Mail an kontakt@cosmiclatte.at oder schaut auf cosmiclatte.at.
Und sonst findet ihr uns hier:
46 قسمت
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CL 004 - Über die Titius-Bode-Reihe und die Vorhersage von Planeten
Die Episode über die Titius-Bode-Reihe und ihren Einfluss auf die Entdeckung neuer Planeten
Die Sommerferien sind vorbei und das aktuelle Vorlesungsverzeichnis der Uni bringt einen alten Bekannten aus dem ersten Semester wieder: Die Titius-Bode-Reihe ist zurück! Was das genau ist und warum sie heute noch interessant bei der Vorhersage von Exoplaneten ist, besprechen Eva und Teresa in dieser Episode.
Begrüßung
Da die Sommerferien so gut wie vorüber sind, unterhalten sich Eva und Teresa über das kommende Semester und welche interessanten Seminare sie im aktuellen Vorlesungsverzeichnis gefunden haben. Und erleben dabei einen Flashback zurück ins erste Semester ihres Studiums!
Zudem erkundigt sich Eva über das Master-Studium in Astronomie bei Teresa – da sie ihr hier schon voraus ist. Dabei erzählt Teresa von einer Vorlesung über Exoplaneten, was Eva aufgreift, um auf ein Seminar an der Universität Wien hinzuweisen, das sich über Sinn und Unsinn der Tititus-Bode-Reihe (TBR) befasst.
Das nimmt Eva auch gleich als Anlass sich die TBR genauer anzusehen. Denn was verbirgt sich eigentlich dahinter? Sie erklärt, was die Reihe beschreibt und zeigt, ob sie eine Bedeutung in der aktuellen Entdeckung von Exoplaneten, also Planeten außerhalb des Sonnensystems, hat.
Die Titius-Bode-Reihe
Die Titius-Bode-Reihe beschreibt eine numerische Beziehung der Abstände der Planeten zur Sonne anhand ihrer Reihenfolge im Sonnensystem und ist empirisch abgeleitet. Benannt ist sie nach Johann Daniel Titius (1729-1796), der sie erstmal beschrieb, und Johann Elert Bode (1747-1826), der sie bekannt machte.
Der Gedanke dabei war, dass die Abstände der Planeten, in Form ihrer mittleren Bahnradien, in einer mathematischen Formel abgebildet werden können - und somit einer gewissen Gesetzmäßigkeit folgen. So entstand folgende geometrische Folge:
Rn = 4 + 3 ⋅ 2n
Der Exponent n steht für den Index der Folge und beginnt bei Merkur, dem innersten Planeten, mit −∞, gefolgt von Venus mit n= 0, die Erde mit n=1, Mars mit n= 2, usw.
Daraus ergeben sich von Merkur bis Saturn die zugehörigen Glieder der Folge 4, 7, 10, 16, 28, 52, 100. Der Erde wird somit der mittlere Bahnradius mit der Zahl 10 zugeordnet. Wichtig ist an dieser Stelle zu erwähnen, dass es sich hier um relative Entfernungen der Planeten zur Sonne handelt, da die absoluten Entfernungen damals noch nicht bekannt waren.
Die ursprüngliche Form der TBR wurde allerdings modifiziert. In der modernen Form wurde noch durch zehn dividiert, dann ergibt sich nämlich der Abstand der Planeten in Astronomischen Einheiten (AE):
a[AE]= 0,4 + 0,3 ⋅ 2n mit n = -∞, 0,1,2,3, …
(1 AE ist der mittlere Abstand Erde-Sonne, was ca. 150 Millionen km sind oder genau 149 597 870 km; das ist 3733 mal der Erdumfang)
Damit ergibt sich für die Erde der Wert 1, also genau der Distanz zwischen Erde und Sonne. Für den Mars, als weiteres Beispiel, kommt die Reihe auf den Wert 1,6. Die tatsächliche gemessene Entfernung liegt bei 1,56 AE, woraus sich eine Abweichung von 5,26% ergibt.
Tatsächlich weicht die TBR bei den inneren Planeten des Sonnensystems nur um ein paar Prozent ab. Jedoch wird sie bei zunehmender Entfernung sehr ungenau und verliert jede Gültigkeit. Letztlich entpuppte sie sich als Zahlenspielerei – hat jedoch in der Geschichte der Astronomie eine nicht geringe Bedeutung.
Zufall oder göttlicher Plan?
Ausgangspunkt war damals, etwa ab dem 18. Jahrhundert, die Frage nach einer “Architektur eines Planetensystems”. Wenn wir wissen, dass es bestimmte Bewegungsmuster der Planeten im Sonnensystem gibt, wie die annähernd kreisförmigen Umlaufbahnen, dass alle Planeten nahezu auf einer Ebene liegen und sie in derselben Richtung die Sonne umkreisen – dann lassen sich durchaus Gesetzmäßigkeiten erkennen. Der Gedanke, dass die Planeten dann ebenfalls nicht zufällig im Sonnensystem verteilt sind, sondern ihre Abstände einer bestimmten Struktur folgen, hatte schon der Astronom Johannes Kepler im Kopf. Und er fand ja auch als Erster einen entsprechenden Zusammenhang: sein drittes Keplersches Gesetz erklärt, wie der Abstand eines Planeten von der Sonne mit seiner Umlaufzeit zusammenhängt. Aber damit wusste man immer noch nicht, warum die einzelnen Planeten genau die beobachteten Abstände hatten. War es nur Zufall? Oder steckte irgendein (göttlicher) Plan dahinter?
Keplers Ansätze zu einem "göttlichen" Bauplan überzeugten aber weniger, sondern wirkten konstruiert und auf die meisten anderen Astronomen eher esoterisch.
Ab dem 18. Jahrhundert stellten sich Astronomen zunehmend Fragen über die Zusammensetzung des Sonnensystems. Warum befanden sich die Planeten dort, wo sie eben sind? Allerdings wusste man damals noch recht wenig über die Planetenentstehung. Die Hoffnung bestand, dass über ihre Verteilung irgendwelche Regeln abgeleitet werden können.
Und 1766 meinte der Astronom Johann Daniel Titius von der Universität Wittenberg dann genau so ein Gesetz gefunden zu haben, das die Abstände der Planeten von der Sonne beschreibt.
Da er allerdings in astronomischen Fachkreisen nicht bekannt war, wurde seine Formel zunächst ignoriert. Das änderte sich erst als sie Johann Elert Bode, damals Direktor der Sternwarte in Berlin, veröffentlichte. Sie passte mach damaligen Erkenntnissen auch ganz wunderbar - bis auf einen kleinen Makel: zwischen Mars und Jupiter müsste nach der Reihe eigentlich noch ein Planet sein. Man ging dann davon aus, dass man diesen Planeten einfach noch nicht gefunden hatte und eine große Suchaktion begann.
1800 wurde sogar eine “Himmelspolizey“ (die hieß tatsächlich so) gegründet. Übrigens von einem österreichischen Astronomen, Franz Xaver von Zach, geführt.
Tatsächlich wurde nur ein Jahr später der gesuchte Planet gefunden - zwar nicht von der Himmelspolizey und auch eher durch Zufall fand der Italiener Giusepe Piazzi einen neuen Himmelskörper genau dort, wo durch die TBR noch ein Planet sein sollte. Der Kleinplanet (damals ein Planet) wurde später Ceres getauft und alle waren happy.
Das Ende der Tititus-Bode-Reihe
Ein Jahr später entdeckte Wilhelm Olbers jedoch einen zweiten (Klein) Planeten, ebenfalls zwischen Mars und Jupiter. Ihm wurde der Name Pallas gegeben. Und als wäre das noch nicht genug, folgten noch weitere Entdeckungen wie Juno und Vesta und auf einmal hatte man da irgendwie zu viele Planeten, was etwas irritierte. Zudem hatte in der Zwischenzeit Wilhelm Herschel auch noch Uranus entdeckt, der zwar nicht ganz aber irgendwie doch gerade noch in die Reihe passte. Allerdings merkte Herschel bereits an, dass die neu entdeckten Planeten doch etwas klein waren. In seinem Teleskop hatte er statt den hellen Scheibchen, die man bei Planeten sehen müsste, nur kleine Lichtpünktchen gesehen. Das endgültige Ende der Titius-Bode-Reihe kam dann 1846 mit der Entdeckung von Neptun. Der von Johann Galle in Berlin entdeckte Planet passte nun überhaupt nicht mehr ins Schema: anstatt den vorhergesagten 388 Einheiten Abstand, befand er sich nur 300 Einheiten von der Sonne entfernt. In den nächsten Jahren fand man immer mehr derartige „Planeten“, sodass Alexander von Humboldt 1851 vorschlug, nur die “großen Acht”, also Merkur, Venus, Erde, Mars, Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun als Planeten zu bezeichnen.
Die restlichen Objekte wurden ab da als Asteroiden bezeichnet - was sich bis heute gehalten hat. Und die Region zwischen Mars und Jupiter ist der heute bekannte Asteroidengürtel - mittlerweile kennen wir 600.000 Asteroiden, die sich dort zwischen den Umlaufbahnen von Mars und Jupiter herumtreiben.
Aber zurück zur TBR, die sich also als Zahlenspielerei herausstellte und keinen physikalischen Hintergrund hat. Sie hat nur deshalb “funktioniert”, weil Titius die Parameter entsprechend hingebogen und einige Ungenauigkeiten ignoriert hatte. Er tat das, was man gemeinhin als „fitten“ (Kurvenanpassung) kennt – also eine mathematische Modellfunktion an bestimmte Datenpunkte anzupassen. So gesehen, kann man fast immer eine Gleichung oder ein Modell finden, dass dem Datensatz entspricht – daraus aber eine allgemeingültige Formel abzuleiten ist nicht zulässig. Auch wenn die „Himmelspolizey“ erfolglos war, so hatte man dennoch einen neue Klasse von Himmelskörpern entdeckt, nämlich die Asteroiden.
Auf der Suche nach Exoplaneten
Warum die Reihe für uns heute noch interessant ist und sich die Astronomie damit beschäftigt liegt wohl darin begründet, dass der Gedanke, dass die Abstände der Planeten im System irgendwelchen Regeln unterliegen, etwas sehr Verführerisches hat. Dann könnten wir Planeten in extrasolaren Systemen vorhersagen, wo wir ja meist nur einige wenige kennen. Genau darum machen sich auch heute noch immer WissenschaftlerInnen und ForscherInnen dazu Gedanken. Erst 2013 haben zwei australische Wissenschaftler, Timothy Bovaird und Charles H. Lineweaver von der Australian National University in Canberra, in ihrem Paper “Exoplanet Predictions Based on the Generalised Titius-Bode Relation” genau das versucht. Sie haben die TBR dabei nicht in der bekannten Form verwendet, sondern in einer allgemeineren Version:
an = a ⋅ Cn mit n= 1,2,3,…
Dabei ist an die große Halbachse des n-ten Planeten, also der mittlere Abstand des Planeten zum Stern. n ist die Nummer des Planeten im System; beispielsweise hätte bei uns dann Merkur die Nummer 0, Venus hätte n=1; die Erde n=2; und so weiter.
a (nicht mit a_n verwechseln – die Parameter wurden hier etwas unglücklich benannt!) und C auf der rechten Seite der Formel sind zwei Zahlen, die für jedes Planetensystem die Abstände bestimmen und genau die Parameter, die man herausfinden muss. Kennt man a und C dann kann man berechnen, wo sich ein Planet befinden müsste.
Sie haben dann die neue verallgemeinerte Reihe an 68 Exoplaneten Systemen getestet und insgesamt über 100 Planeten vorhergesagt. Was wurde aus der Studie? Hat man all die neuen Planeten gefunden? Eher nicht – sie wurde zwar ein paar mal zitiert; der große Durchbruch dürfte ausgeblieben sein. Dass es immer noch ein interessantes Forschungsfelds ist, zeigt aber das Suchergebnis in der ADS-Literarturdatenbank - v.a. in Hinblick auf die Vorhersage von Exoplaneten in multiplanetaren Systemen.
Hier zeigt sich zwar die immer noch bestehende Aktualität, aber zugleich stellt sich natürlich unweigerlich die Frage, wie zielführend das überhaupt sein kann. Denn wenn man bedenkt, dass die ursprüngliche TBR ja in unserem Sonnensystem nicht stimmt, wieso sollte es dann in einem anderen Systemen besser funktionieren? Können wir damit überhaupt extrasolare Planeten entdecken?
Über die Validität der Tititus-Bode-Reihe
Auf Nachfrage bei Prof. Dvorak, der das eingangs erwähnte Seminar an der Uni Wien im Wintersemester leiten wird, meinte dieser auch, dass seine persönliche Meinung ist, dass man verschiedene Zahlenreihen finden kann, die solche Gesetze vermuten lassen, die aber seines Erachtens willkürlich sind. Denn dahinter müsste ein physikalisches Gesetz stehen.
Der physikalische Hintergrund ist wohl einer der größten Knackpunkte bei der Geschichte. Denn ein wesentlicher Aspekt wird dabei nicht berücksichtigt, und zwar jener der Planetenentstehung. So kennen wir zwar noch nicht alle Details zur Planetenentstehung, wissen aber dass diese chaotisch abläuft – daher ist es fraglich, ob eine simple Regel der Planetenabstände existieren kann, wenn das, was diese Abstände erzeugt ein chaotischer Prozess ist. Warum sollten genau die Abstände der Planeten irgendwelchen Regeln folgen? Auch wenn es ein paar Faustregeln gibt, reichen diese wohl nicht für ein Gesetz, aus dem sich die Abstände festlegen lassen. Dazu gibt es zu viele Parameter, welche die Entstehung und letztlich auch ihre Abstände beeinflussen: Wie groß ist der ursprüngliche Nebel, aus dem alles entsteht? Wie stark leuchtet der Stern und wie stark ist sein Sternwind? Ist es ein Einzelstern oder Doppelstern-System?
Und dann gibt es auch noch planetare Migration: Denn die Planeten bleiben im Allgemeinen nicht dort, wo sie entstehen, sondern wandern durch das Sonnensystem, es kommt zu Kollisionen, Planeten werden wieder zerstört oder aus dem System geworfen. Dass sie sich dann nach dieser Dynamik wieder dort einfinden, wo sie laut einer simplen Formel sein sollten, ist dann eher unwahrscheinlich.
Und dann ist da noch die Sache mit den Asteroiden, die in der Reihe berücksichtigt wurden, damit sie passt. Aber der Asteroidengürtel ist kein Planet und an seiner Stelle war auch nie einer. Dafür ist dort einfach zu wenig Material. Tatsächlich konnte sich an dieser Stelle im Sonnensystem auch kein Planet entwickeln, weil der gravitative Einfluss von Jupiter das verhindert hat. Wäre der Jupiter kleiner, hätte sich dort vielleicht ein Planet bilden können. Das ist ein weiterer Punkt, den die Reihe vernachlässigt, nämlich die Masse. Wie anhand von Jupiter zu sehen ist, ist aber gerade dies ein wichtiger Parameter, denn die wechselseitigen gravitativen Störungen bestimmen sehr wohl, wo sich ein Planeten befinden kann und wo nicht. Will man also eine Gesetzmäßigkeit finden, müsste man auch die Massen der Planeten berücksichtigen.
Fazit
Natürlich wäre es toll, wenn man eine Vorhersage treffen könnte, wie Planetensysteme aussehen. Für einen Satz von Datenpunkten lässt sich immer eine Interpolationsformel finden – allerdings ignoriert das den physikalischer Mechanismus, der eine bestimmte Reihe von Abständen der Planeten hervorruft - damit bleiben die Versuche, neue Formen der Titius-Bode-Reihe zu bestimmen, letztlich nur Zahlenspielereien. Die TBR liefert keine gesicherte Erklärung und hat auch keinerlei Bezug zu physikalischen Gesetzen. Daher sollte man bei diesen Reihen und Folgen stets skeptisch bleiben, da ihnen meist eine gewisse Willkür anhaftet.
Weiterführende Information
- Die Titius-Bode-Reihe auf „ScienceBlogs.de“
- Planetenvorhersage mit der TBR auf „ScienceBlogs.de
- Die Titius-Bode-Reihe auf „Spektrum.de“
- Ehemalige Planeten auf „ScienceBlogs.de“
- „Krawumm: Ein Plädoyer für den Weltuntergang“ (Florian Freistetter, 2012)
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